Verena Passerini, Bioinformatikerin am Universitätsklinikum der LMU
In den letzten Jahren hat der Migrationsfluss italienischer Forscher nach Bayern erheblich zugenommen. Hierbei sind Aspekte wie die geografische Nähe, die bessere Erreichbarkeit von Fördergeldern und Stipendien, die hohe Lebensqualität und das Vorhandensein führender Forschungszentren von großer Bedeutung. Wir haben uns mit Verena Passerini unterhalten, eine Bioinformatikerin des Universitätsklinikums der LMU in München, die uns von ihrem Werdegang erzählt hat.
"Im Oktober 2010 kam ich zum ersten Mal als Erasmus-Stipendiatin nach München", erinnert sie sich. "Während der neun Monate des Erasmus-Programms absolvierte ich ein Praktikum für meine Magisterarbeit und kehrte dann nach Italien zurück, um meinen Abschluss zu machen. Auf meiner Suche nach Promotionsmöglichkeiten kam unter anderem auch München wieder infrage, wohin ich schließlich im Februar 2012 zurückkehrte und bis heute auch geblieben bin."
Die bayerische Landeshauptstadt: sicherlich ein stimulierender Bestandteil ihrer Laufbahn, der ihre Zusammenarbeit mit verschiedenen Instituten und Forschungszentren gewährleistete: "Ich habe in drei Forschungsgruppen arbeiten können, und dies an zwei verschiedenen Instituten. Die erste Gruppe, die mich im Rahmen meines Masterstudiums während den Erasmus-Monaten aufnahm, war Teil des Universitätsklinikums der LMU. Hierbei lag der Schwerpunkt der Forschung auf der Immuntherapie solider Tumore. Anschließend machte ich am Max-Planck-Institut meinen Doktorat in Biochemie. Ich habe gute Erfahrungen, sowohl mit dem Arbeitsumfeld, als auch mit dem Gesamtprojekt. Allerdings habe ich es persönlich vorgezogen, mich von der Grundlagenforschung zu distanzieren und der klinischen bzw. translationalen Forschung zuzuwenden. Deshalb bin ich nach meinem Doktorat anlässlich des Postdocs an das LMU-Universitätsklinikum zurückgekehrt, wenn auch in eine unterschiedliche Abteilung als die, in der ich mein Praktikum absolviert hatte."
Das Max-Planck-Institut und das Universitätsklinikum: beides sind zwei hochmoderne Zentren, aber nicht ganz ohne strukturelle und organisatorische Unterschiede. "Das Max-Planck-Institut ist komplett forschungsorientiert", erklärt Verena, "und zeichnet sich durch eine unglaubliche Effizienz aus. In der Abteilung hatten wir Arbeitskräfte, die ausschließlich die Aufgaben wie Lösungen vorbereiten und Gläser spülen übernommen haben, sodass sich die Forscher ausschließlich auf die Forschung konzentrieren können. In der Universitätsklinik läuft dies ganz anders ab, denn die Forschung nimmt nur einen kleinen – vielleicht gar minderheitlichen - Teil der Aktivitäten ein. Die Organisation ist auch mehr auf klinische Aktivitäten ausgerichtet und leider weniger effizient im Bereich der Forschung - vielleicht auch aufgrund der Tatsache, dass die beiden Standorte (Großhadern und die Innenstadt) insgesamt über zehntausend Beschäftigte haben, was sicherlich nicht einfach zu bewältigen ist. Nach der Berliner Charité ist sie die zweitgrößte Klinik in Deutschland. Trotz einiger Einschränkungen gefällt mir die klinische Forschung viel besser, weshalb ich mich dazu entschlossen habe, hier zu arbeiten."
Eine verständliche Entscheidung für ein Forschungsgebiet, das sich in einem solchen Ausmaß mit der Diagnostik und therapeutischen Ansätzen beschäftigt. "In der Gruppe, in der ich derzeit arbeite, kümmern wir uns um bioinformatische Analysen auf dem Gebiet der hämatologischen Tumoren, insbesondere Lymphome. Das übergeordnete Ziel unserer Arbeit ist die Verbesserung von Diagnostik und Therapie durch ein besseres Verständnis der molekularen Prozesse und die Identifizierung von Tumormarkern".
Als italienische Forscherin in Deutschland hob Verena vor allem eine starke Unparteilichkeit im deutschen Bewertungssystem hervor. „Ich hatte nicht den Eindruck, dass ein generalistisches Urteil gegenüber italienischen Forschern besteht“, erklärte sie uns, „Ich glaube, dass ein Forscher auf der Grundlage seiner Forschung, seiner Ergebnisse und seiner Erfahrung beurteilt wird, und dies unabhängig von seiner Nationalität passiert. Ich habe immer mit anderen italienischen Kollegen zusammengearbeitet, ein klares Zeichen dafür, dass Forscher, die die erforderlichen Fähigkeiten verfügen, hier willkommen sind und dementsprechend aufgenommen werden.
Bei der Bewertung ihrer italienischen Ausbildung jedoch, erklärte sich Verena als zufrieden, erwähnte aber dennoch ihr Bewusstsein der strukturellen Unterschiede im italienischen Systems. „Eine Sache, die mir aufgefallen ist, als ich meine Ausbildung am Anfang des Doktorats mit der einer deutschen Kollegin verglich, ist, dass ich im Hinblick auf die Theorie durchaus besser vorbereitet war, während sie auf der praktischen Seite eine bessere Vorbereitung vorweisen konnte. Tatsächlich habe ich dann gesehen, dass hier mehr Praktika und praktische Kurse angeboten werden, als in meinem Heimatland. Ich könnte nicht entscheiden, wer eine bessere Vorbereitung hatte, denn es hängt auch stark davon ab, welchen Weg man nach dem Studium gehen möchte. Wenn ich meinen eigenen Weg betrachte, wäre es vielleicht einfacher gewesen, ein wenig mehr Laborerfahrung mitbringen zu können, aber signifikante Lücken habe ich nie gehabt oder verspürt."
Im Vergleich zu anderen Arbeitsumfeldern weist der Integrationsprozess im bayerischen Kontext Besonderheiten für die Beschäftigten im Forschungssektor, im Vergleich zu anderen Arbeitsumfeldern, vor, „meine Deutschkenntnisse sind für den Alltag ausreichend. Ich habe im Laufe der Jahre verschiedene Kurse besucht, bis ich das B2-Level erreichte. Das Arbeitsumfeld war schon immer sehr international, daher habe ich es auf der Arbeit nie wirklich gebraucht. Die Tatsache, dass ich die Sprache nicht jeden Tag bei der Arbeit sprechen muss, hat meinen Lernprozess sicherlich verlangsamt. Ich denke, dass es in meinem Sektor nicht von hoher Wichtigkeit ist, aber oft sehr hilfreich sein kann, insbesondere wenn es um die Verwaltungsbüros von Universitäten und Forschungszentren geht.“
Übersetzung von Vittoria Grillo & Matilda Madonna