Simona Morani. Eine vielseitige Persönlichkeit: Dozentin, Übersetzerin und Schriftstellerin
Heute haben wir eine echte Schriftstellerin bei uns.
Ihr neuer Roman "Sopra ogni cosa" (Über allem) ist gerade im September erschienen. Endlich darf ich Sie interviewen!
Was hat Sie nach München gebracht?
Nach meinem Abschluss in Fremdsprachen in Modena gewann ich ein MAE/CRUI-Praktikum im Kulturbüro des italienischen Konsulats in Houston, Texas. Dort habe ich unter anderem an der Organisation einer Retrospektive über Pupi Avati mitgewirkt, der auch für einige Tage zu Gast war. Es war 2008 und ich schrieb damals schon, aber ich liebte auch das Kino. Ich war unentschlossen zwischen Belletristik und Drehbuchschreiben. Die Begegnung mit Pupi Avati war für mich sehr inspirierend, aber ich hatte nicht den Mut, ihn zu fragen, ob ich mit ihm zusammenarbeiten könnte, was ich mir oft vorwerfe. Als ich dann zurück nach Italien ging, versuchte ich, Arbeit in der Kinowelt zu finden, aber ich bin immer auf unbezahlte Zusammenarbeiten gestoßen. Bei einem Telefonat mit einem Mitarbeiter von Cinecittà wurde mir geraten, meinen Lebenslauf an das Münchner Filmfest zu schicken. Da ich mein Erasmus-Studium in Deutschland absolviert und es mir sehr gut gefallen hatte, habe ich mir das nicht zweimal sagen lassen. Und es hat funktioniert! Ich bekam einen Sechsmonatsvertrag beim Münchner Festival und ging wieder fort.
Um was genau kümmern Sie sich?
Während des Festivals wurde mir klar, dass es mir nicht 'kreativ' genug war. Oder besser gesagt: Es war toll, mit Regisseur*Innen, Schauspieler*Innen und Produzent*Innen aus der ganzen Welt in Kontakt zu sein, aber ich wollte nicht nur Assistentin sein, sondern Geschichten schreiben, die meinen Namen tragen. Als Ausländerin war ich natürlich sehr im Nachteil, weil meine Sprachkenntnisse nicht mit denen der vielen aufstrebenden deutschen Autor*Innen vergleichbar waren. In Italien besaß ich nicht die richtigen Kenntnisse, da ich vom Lande kam, in Deutschland, einer Leistungsgesellschaft, war mein Deutsch nicht gut genug. In der Zwischenzeit habe ich festgestellt, dass die Bayern die italienische Sprache und Kultur lieben, und ich habe erkannt, dass genau das meine Stärke ist. Mehrere Jahre lang war ich als Dolmetscherin während der Dreharbeiten und als Übersetzerin in der Postproduktionsphase von Dokumentarfilmen über Italien tätig. Eine wunderbare, aber gelegentliche Tätigkeit. Zur gleichen Zeit begann ich, Italienisch für Ausländer zu unterrichten, und machte meinen Master an der Universität in Siena. Währenddessen habe ich natürlich an meinen eigenen Projekte gearbeitet.
Wir haben eine wahre Schriftstellerin vor uns! Wie lief der kreative Prozess ab, der zur Veröffentlichung Ihrer Bücher geführt hat? Wovon handeln sie?
Da ich eine Einzelgängerin und ein unabhängiger Mensch bin, schreibe ich nur Geschichten, die etwas tief in mir hinterlassen haben, oft ausgehend von realen Ereignissen, die ich in selbst oder indirekt erlebt habe. Ich verfolge die Trends im Verlagswesen sehr genau, aber letztendlich ist es die Geschichte, die zu mir kommt, und wenn sie das tut, dann schreibe ich sie, ohne an den kommerziellen Aspekt zu denken. Bislang bin ich gut zurechtgekommen, und ich hoffe, dass ich so weitermachen kann, auch wenn die Verlagswelt unbarmherzig ist und jedes Buch ein neues Abenteuer darstellt.
"Über allem" wurde erst vor Kurzem veröffentlicht. Möchten Sie uns ein wenig über dieses Projekt und die Hauptfiguren erzählen?
Schon als ich 2003-2005 mein Erasmus in Saarbrücken gemacht habe, dachte ich, ich will eine interkulturelle Geschichte schreiben. Ich war fasziniert von all den jungen Leuten aus allen Ecken der Welt, die sich das Studentenwohnheim, den Unterricht, die Ferienreisen, die Prüfungsvorbereitung und natürlich die zahlreichen Partys teilten. Es entstanden ergreifende, unauslöschliche Lieben, die einige Wochen oder ein ganzes Jahr, manchmal auch lange Zeit, andauerten und zu einem Zusammenleben oder einer Ehe führten. Es war eine andere Welt, in der trotz der Unterschiede alles möglich war. Aber die Zeit war noch nicht reif, ich brauchte andere Erfahrungen und die vielen Jahre in München haben mir dabei geholfen. Ab 2014 begann ich zu recherchieren und Szenen zu notieren. Seit 2018 arbeite ich ernsthaft an dem Projekt, mit einer Pause im Jahr 2020, um zwei Kinderbücher zu schreiben und an mehreren Anthologien teilzunehmen. Ich habe mich entschieden, die Geschichte aus der Sicht von Alina zu erzählen, einem Mädchen aus der Emilia, das sich vom Leben in der kleinen Provinz erdrückt fühlt. Sie träumt von einer Karriere in der Stadt, vorzugsweise im Ausland, wo sie glaubt, dass sie Erfolg haben wird. Also absolviert sie ihr Erasmus-Semester in Saarbrücken, genau wie ich, und freundet sich dort mit Noah an, einem jungen Medizinstudenten, der im Gegensatz zu ihr von seinem Vater gezwungen wurde, das Land zu verlassen. Zwei gegensätzliche Situationen für zwei gequälte Seelen, die trotz allem eine Verwandtschaft spüren.
Wie sieht die Werbestrategie für das Buch aus?
Ich versuche, sowohl in Italien, als auch in Deutschland, Vorstellungen zu organisieren und mit denjenigen in Kontakt zu bleiben, die mir in den sozialen Medien folgen. Ich erhalte jeden Tag schöne Nachrichten von Leser*Innen und sehe, dass es eine gute Mundpropaganda gibt. Viele verschenken das Buch an Enkelkinder, Freunde oder Kinder von Freunden, die im Ausland waren, oder an Kinder, die in einer anderen Stadt leben. Und dann gibt es viele ältere Leser*Innen, die Gefühle wiederentdecken, die sie vor Jahren bei Erasmus- oder Austauschprojekten in ihrer Jugend erlebt haben.
Können Sie uns etwas über Ihre Integrationserfahrung in Deutschland erzählen?
In Saarbrücken war es einfach, wir waren alle Ausländer*Innen und fühlten uns vereint in den Freuden und Sorgen des Lebens als Studenten*Innen im Ausland. Es war eine "Blase" der Perfektion in einer Welt voller Ungewissheit über die Zukunft. Als ich in München ankam, wurde mir jedoch klar, dass die Erasmus-Zeit nichts mit dem Erwachsenenleben und der Arbeitswelt zu tun hatte: In Saarbrücken hatte ich mich integriert gefühlt, aber in Wirklichkeit war ich es überhaupt nicht. Wenn ich zurückdenke, kannte ich das wirkliche Leben der deutschen Bürger*Innen überhaupt nicht, und als ich in München ankam, verstand ich fast nichts Bayerisches. Bei der Arbeit hatten sie also eine ganz andere Methodik als in Italien, sehr schematisch und präzise, kalkuliert. Eine Denkweise, die ich während meiner Schullaufbahn nicht erlernt habe und die mir völlig fehlte. Es war sehr schwer!
Welchen Rat würden Sie jungen Italiener*Innen geben, die nach Deutschland ziehen möchten?
Ich rate davon ab, ohne einen konkreten Plan herzukommen. Die romantische Vorstellung, sich mit Rucksack und Koffer auf den Weg zu machen und seinen eigenen Weg zu suchen, indem man von einem Erlebnis zum nächsten wandert, ist zwar sehr schön, wird aber zu großen Enttäuschungen und erheblichem Zeitverlust führen. Wenn wir sehr jung sind, denken wir, wir hätten alle Zeit der Welt, aber dann gehen die produktivsten Jahre schnell vorbei, und es stimmt zwar, dass man sich heutzutage auch mit fünfzig noch neu erfinden kann, aber es stimmt auch, dass man sich körperlich und geistig viel mehr anstrengen muss. Es ist besser, sich gut zu überlegen, was man tun will, und dann von Anfang an entsprechend zu handeln.
(Photo Credits: Robert Haas)
Welche Aspekte der deutschen Kultur schätzen Sie und welche weniger?
Da ich recht zurückhaltend bin, schätze ich es sehr, dass sich die Deutschen selten in die Angelegenheiten anderer Leute einmischen, dass sie im Allgemeinen weniger zu Streitereien und "Szenen" neigen, die ich in Italien oft sehe. In Italien gibt es viel mehr Drama. Andererseits hat alles, was ich gerade gesagt habe, auch eine Kehrseite: In einer Situation, die Flexibilität erfordert, kann es passieren, dass ein Deutscher viel starrer und unnachgiebiger ist als ein Italiener, und das kann natürlich ein Problem sein. Außerdem ist der Italiener zwar dramatischer, aber auch leidenschaftlicher. Und was ist das Leben ohne Leidenschaft? Schließlich schätze ich an der deutschen Kultur die Pflege des Grünen: Was für Parks! Was für Wälder! Sogar im Stadtzentrum kann man kleine botanische Gärten, ausgewählte Gärten, Rosengärten entdecken... ein Traum!
Was haben Sie von Ihrer italienischen Persönlichkeit beibhalten und was haben Sie sich von der deutschen Kultur zu eigen gemacht?
Leider bin ich ein bisschen faul und langsam und komme oft zu spät. Das war ich früher und das bin ich auch heute noch. Aber ich bin nicht stolz darauf und ich versuche, mich zu verbessern. Von der deutschen Kultur habe ich einige Gewohnheiten übernommen, z. B. dass ich meine Schuhe ausziehe, bevor ich das Haus betrete, dass ich mich Sonntags ausruhe, dass ich früh zu Abend esse, dass ich auf öffentlichen Plätzen nicht zu laut telefoniere und dass ich streng in der Schlange stehe. Das ist etwas, das mich in Italien sehr ärgert: Leute, die sich vordrängeln.
Wie beurteilen Sie Ihre Integrationserfahrungen?
Sehr positiv. Ich fühle mich als Italienerin und werde mich nie als Deutsche fühlen, aber ich empfinde so viel Dankbarkeit, Respekt und Liebe für Deutschland. Es wird immer meine zweite Heimat sein.
Welche Aktivitäten können unternommen werden, um die beiden Kulturen, die Italienische und die Deutsche, zu integrieren?
Ich denke, dass die Küche eine großartige Möglichkeit ist, um Brücken zu bauen: Die Schüler werden gebeten, ein Rezept auszusuchen, das italienisch, deutsch oder aus einem anderen Land sein kann, und es in die Klasse mitzubringen, das auf einer bestimmten Kindheitserinnerung oder einem bestimmten Erlebnis beruht. Meist entstehen dabei sehr unterhaltsame Geschichten, die die Klasse begeistern. Es gibt auch Kurse mit einer Küchenecke im Raum, wo man gemeinsam kochen und essen kann, natürlich auf Italienisch.
Erzählen Sie uns von einer positiven Integrationsepisode auf Ihrem Weg und von den Schwierigkeiten der Integration...
Als ich in der Lehre blieb, erkannte ich die Vorteile, die es für mich hatte, als meine deutschen Schüler*Innen anfingen, mir von Traditionen und Bräuchen zu erzählen oder mir Orte zu empfehlen, die ich besuchen sollte. Ich habe sie unterrichtet, aber auch viel von ihnen über die deutsche Kultur gelernt. Es gibt keine einzelne Episode, es ist schrittweise geschehen, aber jedes Mal habe ich das Gefühl, dass das gegenseitige Erzählen und Informieren ein schöner Weg ist, die Verbindung zwischen den beiden Kulturen zu erneuern.
Zukünftige Projekte oder Träume?
Ich möchte weiterhin Bücher veröffentlichen und die Geschichten, die mir im Kopf herumschwirren, umsetzen und als Autorin wachsen.
Ein Satz, der Ihren Weg auf den Punkt bringt?
Ich verabschiede mich mit einem Zitat des türkischen Schriftstellers Ohran Pamuk, in dem ich mich sehr wiederfinde und das ich auch an den Anfang von "Über allem" gestellt habe: "Wenn in deinem Herzen das Gesicht deines geliebten Menschen eingraviert ist, ist die Welt immer noch dein Zuhause."
(Photo Credits Patrizia Ruscio)
Bis bald,
Arianna
Übersetzung von Matilda Madonna