Die Gewinner des MonaCorti Film Festivals 2022
Die erste Edition des Kurzfilm-Festivals kürt seine ersten Gewinner
Die erste Edition des MonaCorti Film Festivals hat seine ersten Gewinner bekannt gegeben. Während der Preisverleihung im ARENA Filmtheater wurden die fünf Regisseure gebührend gefeiert. Sehen wir uns mal an, wer in den beiden Kategorien Fiction und Dokus gewonnen hat.
Ambasciatori ist ein unfassbar realistischer Kurzfilm über den makaberen Alltag junger, männlicher Prostituierter, die sich oftmals mit zahlungswilligen Klientel rumschlagen müssen, aber gleichzeitig Mitleid für deren Einsamkeit fühlen. Der Titel Ambasciatori bezieht sich auf eines der letzten Rotlichtkinos Roms. Der Film überzeugt mit “pasolinianischen” Zügen, knappen aber harten Dialogen und “der Suche nach Realität”, die der Regisseur anstrebt. Romano verzichtet bewusst auf das Vertuschen der Arbeitsabläufe, zeigt genau was diese Männer tun müssen, um sich ihre nächste Mahlzeit leisten zu können. Vielleicht nicht für jedermann, aber ein mutiger Schritt in Richtung Aufklärung, über ein Thema, von dem man so gut wie nie etwas hört oder gar sieht.
Der Regisseur hat uns in einem Interview verraten, dass er schon an seinem nächsten Film, einer italo-französischen Produktion, arbeitet. Wir freuen uns drauf!
Stellen Sie sich vor, eines Morgens klopft jemand an Ihre Tür und fordert Sie auf, ihr gesamtes Hab und Gut innerhalb von zwanzig Minuten in ein paar Koffer zu verstauen und auf unbestimmte Zeit ihr Zuhause zu verlassen. Genau dies passierte den Juden am 16. Oktober 1943, dem sogenannten Schwarzen Samstag, in Rom.
In einer herzzerreißenden Kurzgeschichte, verstecken die Eltern Lea und Enzo ihre Kinder und lassen sie bewusst zurück, um ihnen die Grausamkeiten der Nationalsozialisten zu ersparen, die aus irgendeinem Grund nicht über ihre Existenz bescheid wissen und somit nicht auf ihrer Liste stehen.
Der Fokus dieses Kurzfilms liegt laut dem Regisseur und seiner Frau Annabella Calabrese, die die Rolle der Lea übernahm, auf der “Bedeutung der Erinnerung für die Zukunft”, damit sich die (Welt)Geschichte nicht wiederholt. Ein wichtiges Thema, nicht nur in Deutschland. Aufarbeitung und Erinnerung sind auch für das italienische Duo ein wichtiges Ziel: “Wenn man vergisst, was in der Vergangenheit geschehen ist, läuft man unserer Meinung nach Gefahr, es in der Zukunft zu wiederholen. Wir sehen das an vielen Dingen, die in diesem Jahrhundert leider passieren und die dramatisch an das erinnern, was vor einem Jahrhundert passiert ist. Der einzige Weg, diesen zyklischen Kreislauf zu durchbrechen, ist die Erinnerung und die Identifikation. Deshalb haben wir beschlossen, diese Geschichte zu erzählen, die von einer jüdischen Familie handelt, aber auch die einer Familie aus Palästina, Russland, der Ukraine, Afrika oder Syrien sein könnte. Wir alle haben eine Mutter und einen Vater, die meisten Erwachsenen haben Kinder und verstehen daher die Schwierigkeit, eine Familie wegen einer Kriegssituation auseinanderzureißen, die nicht direkt von uns abhängig ist.” so Annabella.
Daniele fügt zum Thema der Erinnerung hinzu: “Ich habe den Eindruck, dass die Erinnerung in den neuen Generationen weniger stark ausgeprägt ist, wahrscheinlich auch deshalb, weil die Eltern eine Art geistige Müdigkeit in Bezug auf diese Ereignisse haben und dazu neigen, sie weniger an ihre Kinder weiterzugeben. Uns wurde gesagt, dass man auch hier in Deutschland dazu neigt, mit den jüngeren Generationen weniger darüber zu sprechen, weil man ein gewisses Schuldgefühl in Bezug auf diese Vorfälle hat. Vielmehr sollte man verstehen, dass es keine Schuld des Einzelnen gibt, sondern dass es gerade die historische Dynamik war, die ein bestimmtes Verhalten provoziert hat". Aufklärung ist also das A und O, um solchen Grausamkeiten entgegenzuwirken.
Beide Künstler arbeiten weiter an herausfordernden Projekten, darunter Annabellas Debüt als Regisseurin mit “Love is not enough” über die Gewalt gegenüber Frauen. Die Dreharbeiten werden Ende Oktober beginnen. Wir sind gespannt.
"Es sind drei Kellner [die sich verhalten] wie drei Hunde vor einem Knochen” - So beschreibt der Regisseur Adriano Giotti seinen Kurzfilm in einem Satz. Er spiegelt die schwierige Realität vieler Italiener*innen in der Arbeitswelt und Wirtschaft wieder, die anders als in anderen Filmen mal nicht mit einem Happy End endet, für keinen. Verspätete Lohnzahlungen oder sogar komplett unbezahlte Arbeit, unüberwindbare Schulden, Einsamkeit und ein ständiges Versteckspiel vor den Konsequenzen der Verschuldung.
Ähnlich wie in Ambasciatori, liegt auch hier der Fokus auf Realität. Der Regisseur erzählt uns: “Auch ich habe, wie andere Menschen auch, leider keinen Lohn bekommen. Vor allem vor einem Jahr, mit der Schließung von Covid und den damit verbundenen Folgen, traten diese Situationen sehr häufig auf. Obwohl wir in dem Kurzfilm keine Masken trugen, weil wir ihn nicht ausschließlich mit Covid in Verbindung bringen wollten, ist der Film ein Kind all dessen, was wir damals fühlten, der Unzufriedenheit und der sozialen Probleme, die wir mit der Pandemie erlebten, mit der Wohlfahrt, die nur bis zu einem bestimmten Punkt oder nur für bestimmte Kategorien aufkam. Einige, wie z. B. diejenigen, die illegal arbeiteten, sahen sich völlig ungeschützt. Ich habe nachgeforscht und herausgefunden, dass einige Menschen auf der Straße leben mussten, weil sie ihre Arbeit verloren hatten. Niemand sprach über diese Situation, die gesellschaftlich sehr spürbar war.”
Ein beeindruckender Film, der einen nicht ganz kalt lässt, denn man fragt sich, ob es einen selbst treffen könnte.
Adriano Giotti steckt schon mitten in der Postproduktionsphase seines nächsten Kurzfilms, ein Weiterer wird demnächst auf mehrern Festivals gezeigt. Wir wünschen viel Erfolg.
Als die Pandemie begann, stand die Welt für viele still, aber nicht für das Gesundheitssystem und die vielen Pflegekräfte, für die an Covid Erkrankten und deren Familien. Ottocentonovantasei Nuvole erzählt die Geschichte von Marco Maffeis, der sich als einer der ersten in Italien mit dem Corona-Virus infizierte. Um sein Leben retten zu können, mussten die Ärzte ihn aus seiner Heimatstadt Bergamo nach Palermo, fast 900km von seiner Familie entfernt, verlegen. Dr. Stefano Bonazzi und Dr. Giuseppe Diliberto, zwei der behandelnden Ärzte, begleiteten ihn und seine Familie durch die dunkelsten Stunden der Krankheit, von der Intubation, der Ungewissheit, ob er jemals wieder aufwachen würde, bis hin zu seiner Genesung. Dankbarkeit, Zusammenhalt und italienische Solidarität wurden hier dokumentiert, sowie der kräftezehrende Kampf gegen eine Pandemie, die wir nie gedacht hätten erleben zu müssen.
Ein richtiger Gänsehautfilm.
Auch in diesem Kurzfilm ist die Pandemie Thema. Im Fokus liegt hier jedoch nicht die Gesundheit der Erkrankten, sondern die Mentale der zuhause “eingesperrten” Bevölkerung. Der Regisseur erzählt die wahre Geschichte von Jarvis, einem Studenten, der sich kurz vor der Pandemie entschied, nach Shanghai zu ziehen. Als der Lockdown anfing, erdrosselte die plötzliche Einsamkeit seine Begeisterung und all die Träume für diesen eigentlichen neuen Lebensabschnitt. Tag und Nacht unterscheiden sich nicht mehr, monotoner könnte sein Leben nicht sein, nur in Erinnerungen an die Sommer in Italien, als seine Familie noch heil war, kann er schwelgen. Nur die nächtlichen Spaziergänge durch die Stadt geben ihm einen Funken Hoffnung, aus dieser depressiven Trägheit wieder herauszukommen.
Eine beeindruckende Dokumentation über die Leiden der Jugend während einer Pandemie.
Alle Kurzfilme werden als Special auf der mehrsprachigen Online-TV-Plattform Diamante zu sehen sein.
Wir freuen uns auf das nächste MonaCorti Film Festival und die Gewinnern 2023!
Matilda Madonna